Deutsches Erbrecht

    1. Was ist “Nachlassabwicklung”?
      • Einführung in die Nachlassentwicklung
    2. Wie beginnt die Nachlassregelung?
      • Wer ist zuständig und was macht das Nachlassgericht?
      • Feststellen des Wohnorts
    3. Gesetzliche Erbfolge - Wer erbt in welcher Reihenfolge?
      • Verwandtenerbrecht
        1. Rangfolge der Erben
      • Erbrecht des Ehepartners
      • Bedingungen und Anteil am Erbe
    4. Letzter Wille: Testament und Verträge
      • Wie man seinen Nachlass regelt
      • Unterschiedliche Arten, seinen Willen festzulegen
      • Erbe zu Lebzeiten regeln
    5. Entscheidungen über das Erbe
      • Was bedeutet es, das Erbe anzunehmen?
      • Fristen, um das Erbe abzulehnen
      • Haftung einschränken
    6. Erbnachweis: Erbschein
      • Was ist ein Erbschein und wofür braucht man ihn?
      • Erben im Ausland und europäisches Nachlasszeugnis
    7. Recht auf Pflichtteil
      • Wer hat Anspruch und wie viel steht ihm zu?
    8. Meldung und Steuern beim Erben
      • Wann und wie man ein Erbe meldet
      • Berechnung der Erbschaftssteuer und Freibeträge
  1. Die Nachlassabwicklung

Die Abwicklung eines Nachlasses ist ein bedeutender Prozess, der nach dem Ableben einer Person in Gang gesetzt wird. Ziel ist es, das Vermögen des Verstorbenen ordnungsgemäß zu verwalten, zu verteilen und alle damit verbundenen rechtlichen sowie finanziellen Angelegenheiten abzuschließen. Diese Aufgabe kann komplex und emotional belastend sein, insbesondere in einer Zeit, in der Trauer und Verlust im Vordergrund stehen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die verschiedenen Schritte und Verfahren zu verstehen, die bei der Nachlassabwicklung eine Rolle spielen, um sicherzustellen, dass die letzten Wünsche des Verstorbenen respektiert und alle rechtlichen Anforderungen erfüllt werden. Unser Ziel ist es, Ihnen einen klaren Überblick über den Prozess zu geben und dabei zu helfen, einige der häufigsten Fragen und Unsicherheiten zu adressieren, die in dieser schwierigen Zeit auftreten können.

  1. Eröffnung des Nachlassverfahrens

Im Falle des Ablebens eines Familienangehörigen, eines Freundes oder eines Bekannten, steht oft die Frage im Raum, wer als Erbe eintritt. Die Zuständigkeit für Erbschaftsangelegenheiten obliegt in Deutschland dem Nachlassgericht, welches für den Bezirk des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zuständig ist. Zu den Aufgaben des Nachlassgerichts zählen insbesondere die Eröffnung letztwilliger Verfügungen, wie Testamenten und Erbverträgen, die Erteilung von Erbscheinen sowie die Entgegennahme von Erklärungen zur Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft.

Der letzte gewöhnliche Aufenthalt wird anhand einer Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod sowie im Todeszeitpunkt bestimmt. Insbesondere sind hierbei die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts im betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Gründe maßgebend.

Grundsätzlich geht der Nachlass in Deutschland im Wege einer Universalsukzession auf den/die Erbe/n über (§ 1922 BGB).

Die Bestimmung des oder der Erben kann durch den Erblasser mittels einer Verfügung von Todes wegen, beispielsweise durch ein Testament gemäß § 2247 BGB, erfolgen. In Ermangelung einer derartigen Verfügung bestimmt sich die Erbfolge nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1924 ff. BGB. Die gesetzliche Erbfolge unterteilt sich in das Verwandtenerbrecht (§§ 1924 ff. BGB) und das Ehegattenerbrecht (§ 1931 BGB).

  1. Das Verwandtenerbrecht

Dabei ist die Verwandtenerbfolge in Ordnungen gegliedert, wobei eine nähere Ordnung die entfernteren Ordnungen ausschließt (§ 1930 BGB), was primär zur Erbfolge der Abkömmlinge erster Ordnung führt.

Innerhalb dieser Gruppen gibt es auch eine bestimmte Reihenfolge: Lebt ein Nachkomme des Verstorbenen, erbt dieser und schließt damit weitere mögliche Erben aus. Ist dieser Nachkomme allerdings schon verstorben oder lehnt er das Erbe ab, rücken seine eigenen Kinder nach. So sorgt das Gesetz dafür, dass das Erbe in der Familie bleibt und nach einem klaren System verteilt wird.

Erblasser:

  1. Ordnung: Kinder und deren Kinder 
  1. Ordnung: Eltern und deren Kinder
  1. Ordnung: Großeltern und deren Kinder
  1. Ordnung: Urgroßeltern und deren Kinder

Zur ersten Ordnung gehören die Kinder des Verstorbenen. Sie teilen sich das Erbe zu gleichen Teilen, ganz egal, wie viele es sind. Wenn der Verstorbene keine Kinder hinterlässt, kommen als Nächstes (zweite Ordnung) seine Eltern und deren Nachkommen, also Geschwister des Verstorbenen, ins Spiel. Hier wird das Erbe in Linien aufgeteilt: Jeder Elternteil bildet mit seinen Kindern eine Erbgruppe, und jede Gruppe erbt einen gleich großen Teil. Sollten weder Kinder noch Eltern oder deren Nachkommen vorhanden sein, sind die Großeltern des Verstorbenen und deren Nachkommen an der Reihe (dritte Ordnung). Auch hier teilt sich das Erbe in Linien auf, wobei die gleichen Regeln wie bei den Eltern und deren Kindern gelten.

Falls es keine lebenden Verwandten bis zu den Großeltern gibt, kommen die Urgroßeltern und deren Nachkommen ins Spiel (vierte Ordnung). Ab diesem Punkt gilt das sogenannte "Gradualsystem": Der dem Verstorbenen näher verwandte Angehörige hat Vorrang vor weiter entfernt Verwandten.

Das Ehegattenerbrecht

War der Verstorbene im Todeszeitpunkt verheiratet oder in einer eingetragenen Lebenspartnershaft, findet das Ehegattenerbrecht Anwendung. Liegt im Todeszeitpunkt hingegen

- eine Nichtehe,

- eine durch rechtskräftigen Aufhebungsbeschluss aufgelöste Ehe

- oder eine rechtskräftig geschiedene Ehe

vor, wird das Ehegattenerbrecht nicht eröffnet. Die Erbquote des Ehegatten richtet sich danach, neben wem der Ehegatte erbt sowie dem in der Ehe bestehenden Güterstand ab. Während er neben Verwandten der ersten Ordnung lediglich ein Viertel des Nachlasses erbt, steht ihm neben Verwandten der zweiten und dritten Ordnung sogar die Hälfte des Nachlasses zu. Sind weder Verwandte der ersten/zweiten Ordnung noch die Groẞeltern vorhanden, erbt der Ehegatte alles.

Beachten Sie, dass die gesetzliche Erbfolge nur dann Abwendung findet, sofern Sie sich im Todeszeitpunkt in Deutschland befinden. Andernfalls sind Sie daran gehalten ausdrücklich das deutsche Erbrecht in Ihrer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) zu wählen.

  1. Verfügungen von Todes wegen

Natürlich hat jeder die Möglichkeit, schon zu Lebzeiten festzulegen, wer seine Erben sein sollen und wie sein Nachlass verteilt wird. Das geschieht durch eine sogenannte Verfügung von Todes wegen. Hierbei gibt es unterschiedliche Wege, wie man seine letzten Wünsche festhalten kann:

- das Testament,

- den Erbvertrag sowie

- das gemeinschaftliche Testament (Berliner Testament).

Testament

Das Testament wird erst mit dem Tod des Erblassers wirksam und ist davor jederzeit widerrufbar. Darin kann der Erblasser die Erben sowie die Nachlassverteilung bestimmen. Das Testament kann auf zwei Arten erstellt werden: Entweder als öffentliches (notarielles) Testament beim Notar (§§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB) oder eigenhändig (§§ 2231 NR. 2, 2247BGB) errichtet werden. Von der eigenhändigen Testamentserrichtung ist jedoch abzuraten, zumal dies oft mangels Einhaltung der notwendigen Voraussetzungen zur Unwirksamkeit des Testaments oder zu Streitigkeiten zwischen den Erben führt. Ferner gilt das notarielle Testament nach § 35 I 2 GBO auch als Erbscheinersatz und wird bis es benötigt wird bei dem zuständigen Amtgsgericht verwahrt.

Der Erbvertrag

Ein Erbvertrag ist eine weitere Möglichkeit, Ihre Erbangelegenheiten zu regeln, zusätzlich zum Testament. Dieses Dokument wird zusammen mit einer anderen Person erstellt und muss zwingend bei einem Notar abgeschlossen werden. Im Erbvertrag legen Sie fest, wer Ihre Erben sein sollen, ob Sie bestimmten Personen spezielle Zuwendungen hinterlassen möchten (Vermächtnisse) und welche Wünsche oder Bedingungen mit der Erbschaft verbunden sein sollen. Ein entscheidender Unterschied zum Testament ist, dass der Erbvertrag für beide Seiten bindende Absprachen enthält, die man nicht einfach ändern kann.

Allerdings gibt es eine Ausnahme: Bestimmte Teile des Erbvertrags, die Sie allein festgelegt haben, können unter besonderen Umständen widerrufen werden. Für alle anderen Teile des Vertrags gilt, dass sie festgeschrieben sind und nur unter strengen, gesetzlich festgelegten Bedingungen geändert werden können. Das macht den Erbvertrag zu einem starken Werkzeug für diejenigen, die schon zu Lebzeiten klare und unveränderliche Regelungen für ihren Nachlass treffen möchten.

Das gemeinschaftliche Testament

Für Ehepaare und eingetragene Lebenspartner gibt es auch die Möglichkeit, ein gemeinsames Testament zu erstellen, oft bekannt als "Berliner Testament" (§§ 2265 ff. BGB). Mit diesem können sich die Partner gegenseitig als Erben einsetzen, und diese Entscheidungen sind dann mit gewissen Einschränkungen bindend. Das bedeutet, sie haben eine besondere Verpflichtung zueinander, ihren letzten Willen so festzulegen, dass der eine ohne den anderen nicht einfach Änderungen vornehmen kann.

Wie bei jedem Testament müssen auch beim Berliner Testament bestimmte formelle Anforderungen erfüllt sein, damit es gültig ist. Und obwohl es grundsätzlich bindend ist, gibt es unter bestimmten, gesetzlich festgelegten Bedingungen doch Möglichkeiten, es zu widerrufen. Diese Option, ein gemeinsames Testament zu verfassen, bietet Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnern eine schöne Gelegenheit, ihre Zukunft gemeinsam zu planen und sicherzustellen, dass ihr Vermögen nach ihren Wünschen vererbt wird.

Vorweggenommene Erbfolge (Übertragung von Vermögen zu Lebzeiten)

Der Nachlass kann allerdings auch vor dem Erbfall verteilt werden, d.h. das Vermögen kann bereits vor dem Ableben auf die Erben verteilt werden. Dabei sollten Sie allerdings sehr sorgfältig vorgehen, denn einmal gemachte Zuwendungen können nicht einfach rückgängig gemacht werden. Es ist also wichtig, sich diese Entscheidung gut zu überlegen und vielleicht auch professionellen Rat einzuholen, bevor man so einen Schritt geht.

  1. Erbschaftsannahme und -ausschlagung

Wenn jemand verstirbt und Sie als Erbe eingesetzt sind, erben Sie nicht nur das Vermögen, sondern auch etwaige Schulden (sog. Universalsukzession § 1922 BGB). Deshalb haben Sie die Wahl, die Erbschaft anzunehmen oder abzulehnen. Möchten Sie die Erbschaft annehmen, müssen Sie dies dem Nachlassgericht mitteilen. Aber Achtung: Haben Sie die Erbschaft einmal angenommen, können Sie Ihre Entscheidung nicht mehr rückgängig machen (§ 1943 BGB).

Falls Sie sich gegen die Erbschaft entscheiden, haben Sie dazu ab dem Moment, in dem Sie von Ihrem Erbrecht erfahren, sechs Wochen Zeit. Diese Frist verlängert sich auf sechs Monate, wenn der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte oder Sie sich zu Beginn der Frist im Ausland aufhalten. Sollten Sie diese Frist verpassen, gilt die Erbschaft automatisch als angenommen (§ 1944 BGB). Aber keine Sorge, selbst wenn Sie die Frist verpasst haben, könnten Sie immer noch Maßnahmen ergreifen, um Ihre Haftung auf das Vermögen des Verstorbenen zu beschränken, beispielsweise durch die Beantragung einer Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens.

Wenn Sie die Erbschaft annehmen, benötigen Sie einen Nachweis Ihrer Erbberechtigung. Dies kann entweder ein Erbschein sein oder ein notariell beglaubigtes Dokument, das Ihre Berechtigung bestätigt.

  1. Erbschein und Europäisches Nachlasszeugnis

Wenn Sie als Erbe Ihr Recht auf den Nachlass geltend machen möchten, können Sie einen Erbschein beantragen. Dieses Dokument bestätigt offiziell, dass Sie der rechtmäßige Erbe sind. Der Erbschein wird in Deutschland beim Nachlassgericht beantragt. Der Erbschein gilt als amtliches Zeugnis über das Erbrecht und wird erst infolge eines Feststellungsbeschlusses des Nachlassgerichts erteilt.

Falls der Nachlass auch Vermögenswerte im europäischen Ausland umfasst oder der Verstorbene seinen Wohnsitz im Ausland hatte, benötigen Sie ein europäisches Nachlasszeugnis. Dieses wird ebenfalls beim Nachlassgericht beantragt. Der Prozess für das europäische Nachlasszeugnis kann etwas komplizierter sein und verlangt detailliertere Informationen als der Antrag für einen Erbschein. Zudem ist das europäische Nachlasszeugnis nur sechs Monate gültig. Denken Sie also daran, sich frühzeitig darum zu kümmern, um Ihre Ansprüche als Erbe auch im Ausland problemlos durchsetzen zu können.

  1. Pflichtteilsanspruch

Wenn jemand in einem Testament oder einer anderen letztwilligen Verfügung nicht als Erbe berücksichtigt wurde, hat er oder sie möglicherweise trotzdem Geldanspruch auf einen Teil des Nachlasses. Dieser Anspruch nennt sich Pflichtteil. Pflichtteilsberechtigt sind in der Regel die Kinder des Verstorbenen, die Eltern, der Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner.

Die Höhe dieses Pflichtteils beträgt die Hälfte dessen, was man als gesetzlichen Erbteil erhalten hätte. Das bedeutet, man berechnet, welchen Anteil am Nachlass man laut Gesetz geerbt hätte, und nimmt davon die Hälfte.

Wenn jemand auf seinen Pflichtteil verzichten möchte, ist mittels einer notariellen Urkunde möglich.

  1. Meldung und Steuern beim Erben

Erbschaftsmeldung

Umfasst die Erbmasse mehr als 100.000 EUR, eine Immobilie oder zumindest die dinglichen Rechte an einer Immobilie muss eine Erbschaftsmeldung abgegeben werden. Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, ist die Erbschaftsmeldung auch dann abzugeben, wenn der Erbe weder der Ehepartner noch ein Verwandter aus gerader Linie ist. Zur Erbschaftsmeldung sind Vermächtnisnehmer, Erben sowie alle zur Erbschaft berufenen Personen verpflichtet. Grundsätzlich muss die Erbschaft in Deutschland innerhalb von 3 Monaten ab Kenntniserlangung des Anfalls des Erwerbs bei dem Finanzamt gemeldet werden, in dessen Bezirk der Erblasser seinen Wohnsitz oder letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Sollten Sie sich in Italien befinden und der Erblasser nicht in Italien ansässig gewesen oder sein Wohnsitz nicht zu ermitteln sein, ist die Erbschaftsmeldung binnen 12 Monaten bei der Agentur der Einnahmen in Rom vorzulegen.

Erbschaftssteuer

Die Meldung eines Erbes beim Finanzamt ist wichtig, um herauszufinden, ob und wie viel Erbschaftssteuer gezahlt werden muss. Die Höhe der Steuer hängt davon ab, wie viel Sie erben und wie nah Sie mit dem Verstorbenen verwandt waren. Es gibt auch gute Nachrichten: Bestimmte Verwandte profitieren von Steuerfreibeträgen. So müssen Ehepartner beispielsweise erst ab einem Erbe von mehr als 500.000 Euro Steuern zahlen. Kinder des Verstorbenen haben einen Freibetrag von 400.000 Euro, und Enkelkinder können bis zu 200.000 Euro erben, ohne Steuern darauf zahlen zu müssen. Bei Eltern und Großeltern des Verstorbenen liegt der Freibetrag bei 100.000 Euro. Für alle anderen fängt die Steuerpflicht schon bei einem Erbe von 20.000 Euro an. Das bedeutet, dass ein Teil des Erbes steuerfrei bleiben kann, je nachdem, wer Sie sind und wie viel Sie erben.